KULTURDIALOG

INTERVIEWS

Street Art in Athen – Wenn die Krise Raum für Kunst schafft

Tatjana Thamerus

Während Griechenland mit der Krise kämpft, entsteht in den Straßen von Athen neues Leben: An den Wänden der Häuser verarbeiten Künstler ihre Ängste, Sorgen, Nöte. Bleeps ist einer von ihnen. 

 

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Bleeps sagt von sich selbst er sei “asozial” – er vertraut niemand. Foto by Bleeps.gr

Die Krise mache müde, sagt Bleeps und zeigt auf eines seiner Bilder. Der Straßenkünstler hat hier an dieser Hauswand im Zentrum von Athen einen Bettler gemalt mit einem Pappschild in der Hand. Auf dem Schild steht „Spare me for a change“. Das englische Wort „change“, Kleingeld, bedeutet gleichzeitig Wandel. In London, sagt Bleeps, hätten die Bettler immer gesagt „spare me a change“ – um Kleingeld gebeten. Hier, an dieser athener Hauswand, fragt der Bettler, ob ihm nicht die Krise erspart werden könne. Bleeps habe das Bild gemalt als die Krise auch auf Zypern übergriff. Er habe sich gefragt, ob Zypern die Krise nicht erspart werden könne.

 

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“no…Yes! Spare me for a change” – Als die Krise Zypern erreicht, fragt Bleeps, ob denn niemand verschont bleibt.

Sein Alter, gar seinen richtigen Namen will Bleeps nicht nennen. Er will  unerkannt bleiben, beschreibt sich selbst als ungesellig. Er vertraue niemanden und schon gar nicht Journalisten, die hätten noch nie etwas Wahres über ihn geschrieben. Trotzdem sollen die Menschen seine Bilder kennen.

Seit 2008, seit Beginn der Krise, malt Bleeps an Häuserwände. Und seit die Stadt kein Geld mehr dafür ausgibt, Graffitis an den Wänden zu übermalen, bleiben immer mehr seiner Bilder erhalten. Tausende Menschen haben in der Krise ihre Arbeit verloren, noch immer kämpft Griechenlands Wirtschaft. Aber die Krise schafft auch Platz für Kunst. Dort wo der Staat sich zurückzieht, haben die Kreativen neuen Raum, für Bilder, Botschaften, Diskussion. Die Krise füttert die Künstler mit neuen Themen.

Street Art ist für Bleeps eine Möglichkeit mit der Gesellschaft, mit den Menschen in Kontakt zu treten: „Meine Kunst ist eine Art Philosophie auf der Straße. Mir ist es wichtig die Menschen mit meinen Werken zum nachdenken anzuregen“, sagt er. Seit fünf Jahren macht Bleeps Street Art, in Großbritannien hat er sich für diese direkte Kunstform begeistert.

Zu Beginn wollte er noch mit kommerzieller Kunst erfolgreich sein und seine Bilder in Galerien verkaufen. Doch als die Krise kam, radikalisierte sich seine Kunst. Politische Themen, extreme Meinungen und ein ungeschönter Blick auf die Krise waren nicht gefragt. „Das hat dann mit den Galerien nicht mehr funktioniert“, erzählt Bleeps  – und lächelt,  zum ersten Mal an diesem Nachmittag. Jetzt könne er die Menschen direkt erreichen. Seine Kunst kann sich jeder ansehen, egal ob reich oder arm.

 

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“M” 2013 – Was ist Faschismus eigentlich?

Die Themen, die Bleeps in seine Kunst einfließen lässt, sind unterschiedlich und richten sich oft nach dem tagespolitischen Geschehen, egal ob Syrien, die Schuldenkrise in Europa oder Zypern. In seinem neusten Werk „M“ 2013 kritisiert er die Reaktionen auf faschistische Bewegungen wie die goldene Morgenröte in Griechenland. „Es ist irgendwie trendy geworden Antifaschist zu sein. Aber was ist Faschismus eigentlich?“, fragt Bleeps. Mit seinem Bild möchte er vor allem auf den alltäglichen Faschismus aufmerksam machen, sagt er, auf den, der in jedem von uns stecke. Es sei heuchlerisch den Faschismus nur in Parteien wie der goldenen Morgenröte zu kritisieren, den Rest der Gesellschaft davon freizusprechen.

Bleeps lebt einem armen Stadtteil Athens und bekommt so die Auswirkungen der Krise jeden Tag zu Gesicht. So holt er sich seine Inspiration. Wütend wird er nur, wenn dann doch einmal jemand seine Kunst einfach übermalt oder abkratzt. „Das ist kein Dialog. Das ist als würde dir jemand ins Gesicht schlagen“, sagt Bleeps. Wenn aber jemand etwas auf seine Kunstwerke malt oder etwas hinzufügt,  sei das in Ordnung. Das müsse nicht schön aussehen. Hauptsache man komme ins Gespräch. „Es ist dann so, als würde ich den Wänden eine Stimme geben.“ Den Wänden und den müden, krisengeplagten Griechen.

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