SOZIALDIALOG
Tsipras siegt im Internet
Welcher Politiker erreicht wie viele Menschen in den Sozialen Medien? Dialoggers.eu hat in Zusammenarbeit mit Pluragraph erstmals ein Ranking für die griechische Politik erstellt. Die Ergebnisse sind eindeutig.
Von Martin Honecker
Von wegen Kopf-an-Kopf-Rennen! Eine Wahl in Griechenland ist längst entschieden. Nein, noch nicht die an den Urnen – da wird es am Sonntag bei der Parlamentswahl spannend. Aber es ist eindeutig, welche Politiker und Parteien am erfolgreichsten die Sozialen Medien nutzen. dialoggers.eu hat in Kooperation mit Pluragraph, einer Plattform für Social-Media-Analyse, erstmalig ein Ranking für die griechische Politik erstellt. Während der Spitzenkandidat der bisher regierenden Syriza, Alexis Tsipras, Platz eins bei der Reichweite belegt, folgt der Spitzenkandidat der konservativen Nea Demokratia (ND), Vangelis Meimarakis, weit abgeschlagen auf Platz 20. Bei den Parteien liegt Syriza ebenfalls vorn, dort aber dichter gefolgt von ND auf Platz 2.
Pluragraph.de ist eine Plattform, bei der Politiker, Parteien und Organisationen daraufhin verglichen werden, wie viele Leute ihnen insgesamt auf Facebook, Twitter und Google+ folgen. Auch die Veränderungen der letzten sieben Tage lassen sich so gut beobachten (siehe „Wachstum“). Die Zahlen sind keine klare Aussage über die Popularität von Politikern, weil nicht jeder automatisch ein Fan ist, der in den Sozialen Medien jemandem folgt. Aber die Werte geben einen Hinweis auf den Stellenwert verschiedener Social-Media-Profile im Internet. Es lässt sich ablesen, wer schon eine Community aufgebaut hat und wer nicht.
„Die Nutzung der sozialen Medien scheint bei einigen Politikern in Griechenland noch nicht so richtig angekommen zu sein“, sagt Martin Fuchs, Begründer und Mitbetreiber von pluragraph.de. So seien viele Profile gar nicht von Facebook oder Twitter verifiziert worden oder die Profile seien nicht auf den Homepages der Politiker verlinkt, was den Nutzern signalisiert, dass dies der echte Account ist.
Die griechische Social-Media-Expertin Lia Gkasouka bestätigt das. „Viele griechische Politiker haben gerade erst bemerkt, dass sie soziale Medien ernster nehmen müssen“, sagt sie. Um sich eine aktive Online-Community aufzubauen, sei Interaktion mit den Fans und Followern ganz zentral. „Twitter darf man nicht one way benutzen, man muss den Leuten antworten und in einen Dialog eintreten. Tsipras und seine Syriza haben das früh verstanden.“ Die Nea Demokratia habe sich hingegen eher auf alte Kommunikationswege konzentriert, so Gkasouka.
Das schlägt sich in der quantitativen Pluragraph-Auswertung nieder. Die Plätze eins und zwei belegen – mit großem Vorsprung – Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis, der zu diesen Parlamentswahlen gar nicht mehr antritt. Erst auf den Plätzen vier bis sieben folgen Politiker der Nea Demokratia – noch hinter ihrem ehemaligen Parteimitglied Panos Kammenos, der nun Vorsitzender der viel kleineren Partei „Unabhängige Griechen“ ist und zuletzt mit Tsipras’ Syriza koalierte. Beispielsweise nutzt Kammenos Youtube geschickt für humorvolle Werbung, die bereits mehrere hunderttausende Male anschaut worden ist.
Tsipras und Varoufakis haben jeweils mehr als 600.000 Fans und Follower. Die Politiker der Nea Demokratia haben nicht einmal zusammengerechnet so viele. Der Spitzenkandidat Meimarakis taucht in dieser Liste gar nicht auf. Er folgt abgeschlagen auf Platz 20.
Nicht ganz so dramatisch sieht der Unterschied zwischen den Parteien aus.
Dafür fällt hier etwas anderes auf: An die Reichweite von Tsipras und Varoufakis können die offiziellen Syriza-Auftritte nicht herankommen. So hat Syriza nur einen Wert von rund 177.000. Aber auch die Nea Demokratia hat nicht so viele Fans und Follower wie zusammengerechnet ihre Politiker.
„Organisationen haben es wesentlich schwerer als Einzelpersonen“, erklärt Martin Fuchs. „Soziale Netzwerke an sich sind auf Einzelpersonen ausgelegt.“ Ähnlich argumentiert auch Lia Gkasouka. Der direkte Kontakt zu den Politikern sei neu, sagt sie. Früher hätten die Parteien zwischen den Wählern und den Politikern gestanden. „Jetzt können sich die Menschen durch den direkten Kontakt mehr als Teilhaber an der Politik fühlen“, erklärt sie. So entstehe eine Online-Community rund um die Persönlichkeiten der Politiker. Den Parteien gelingt das nicht so gut. „Unterschiede in der Reichweite haben etwas mit Fehlern in der Selbstdarstellung zu tun. Die Parteien haben dann nicht genug interagiert und sich nicht interessant genug gemacht.“
Ein weiterer Faktor, der beachtet werden muss, ist, dass Tsipras eine Menge Fans aus dem Ausland hat. Nur 55 Prozent stammen aus Griechenland. 17,5 Prozent kommen aus Italien, 4,3 Prozent sind aus Deutschland.
Zum Vergleich: Knapp 77 Prozent der Facebook-Fans von Syriza sind aus Griecchenland, der Rest aus dem Ausland. Die Fans der Nea Demokratia kommen zu 94 Prozent, die von Meimarakis zu 99 Prozent aus Griechenland.
Trotz allem: Im Vergleich zu Deutschland schlagen sich die griechischen Parteien online sehr gut, da sie relativ gesehen mehr Menschen erreichen. In Deutschland haben die beiden großen Volksparteien CDU und SPD rund 240.000 Fans und Follower. In Griechenland sind es 177.000 beziehungsweise 102.000. Bei einer mehr als sieben Mal so großen Bevölkerung in Deutschland ist das durchaus beachtlich.