INTERVIEWS

DIALOG

Griechische Ostern, deutsche Weihnachten

Jana Hauschild

Deutsche Kultur ist auch in Griechenland verwurzelt. Seit mehr als 100 Jahren treffen sich Deutsche und Griechen in Kirchengemeinden und Schulen zum Austausch – und trotzen den stärker werdenden Spannungen.

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Ironische Kommentare gegen Deutsche, die hört René Lammer in letzter Zeit öfter. Er ist Pfarrer der Evangelischen Kirche deutscher Sprache zu Athen. Seit 1837 ist die Gemeinde in der griechischen Hauptstadt angesiedelt und versteht sich schon immer auch als Ort der kulturellen Begegnung. Noch vor einem Jahr hat Lammer seine Gemeindemitglieder gefragt, ob sich wegen der Krise das Verhältnis zu den Griechen verändert hat. „Während damals die meisten verneinten, nehmen sie heute mehr Spannungen wahr, hören feindliche Bemerkungen“, berichtet er.

So erlebt es auch Hildegard Hülsenbeck. Sie arbeitet in der deutschen Kirche. Seit mehr als 30 Jahren wohnt die Deutsche in Griechenland, ist mit einem Griechen verheiratet und hat mit ihm eine Tochter. Die Reibung zwischen den Nationen belastet sie sehr. „Als ich damals nach Griechenland ausgewandert bin, hatte ich das Gefühl, privilegiert zu sein: Mit einem Bein stand ich in einem neuen Land, mit dem anderen weiterhin in der Heimat“, sagt sie. Nun bricht der Boden unter ihren Füßen weg: Von Griechen erfährt sie plötzlich Ablehnung und fühlt sich in ihrer Wahlheimat nicht mehr willkommen. Aber auch ein Leben in Deutschland kann sie sich nicht mehr vorstellen – zu sehr ist sie mit Griechenland verbunden.

Jetzt erst recht

Während eine Kluft zwischen Deutschen und Griechen zu entstehen scheint, nutzt die deutsche Gemeinde in Athen ihr 175-Jähriges Jubiläum nun erst recht für Völkerverständigung. Auf einem Fest Mitte Oktober kamen etwa Vertreter der griechisch-orthodoxen und der evangelischen Kirche aus Deutschland zusammen. Vor kurzem besuchte sogar der griechische Kulturminister die deutsche Gemeinde – um Freundschaft zu signalisieren.

Der  ehemalige Pfarrer der Athener Kirche, Michael Schweitzer, und seine Frau Isabelle führten ein  Theaterstück in der Kirche auf – an einem Abend auf Griechisch, an einem zweiten auf Deutsch. „Ein Geschenk an die Gemeinde und an unsere griechischen Freunde“, so das Ehepaar. Obwohl die Gesangsbücher nur deutsche Texte enthalten, stimmten die Gäste an diesem Abend ein griechisches Kirchenlied an.

Die meisten der rund 500 Mitglieder der Gemeinde sind deutsche Frauen, doch sie haben eine besondere Verbindung zu Griechenland: Sie sind mit einem griechischen Mann verheiratet und für ihre Liebe ausgewandert. Sie leben die griechisch-deutsche Beziehung.

Sonntags gehen die deutsch-griechischen Paare zumeist getrennt zu ihren Gottesdiensten. Doch Kirchenfeste führen die beiden Konfessionen zusammen. Da feiert die deutsche Christin schon mal Ostern griechisch-orthodox, dafür begeht der griechische Ehegatte Weihnachten dann evangelisch. Da treten Paare morgens beim orthodoxen Priester in den Bund der Ehe ein und mittags nochmal beim evangelischen Pfarrer – mit dabei immer die gesamte deutsche und die griechische Familie.

Und da werden natürlich auch Kinder geboren. Viele von ihnen werden zunächst griechisch-orthodox getauft, einige besuchen dennoch zusätzlich den evangelischen Kindergottesdienst der Athener Kirche. So auch der junge Deutsch-Grieche Alexander. Im November nimmt er nun an der evangelischen Konfirmation teil, ist aber in der orthodoxen Kirche getauft worden. Zukünftig will er beide Konfessionen leben.

Austausch auf dem Schulhof

Viele Kinder binationaler Eltern besuchen die Deutsche Schule Athen (DSA) – ein weiterer Ort in der griechischen Hauptstadt, an dem die beiden Kulturen tagtäglich zusammenkommen.

Griechen, Deutsche und Kinder gemischter Elternhäuser treffen einander teilweise im Unterricht, auf dem Schulhof sowieso. Deutsche Lehrer unterrichten Griechen in Fächer wie Mathematik, Geografie oder Sport, griechische Lehrer bringen Deutschen die griechische Sprache und Kultur nahe. Am Nachmittag gibt es binationale Arbeitsgemeinschaften, ebenso auch mal griechische Konzerte oder deutsche Kabarettabende. „Wenn es einen Ort gibt, wo Respekt und Kooperation zwischen den beiden Kulturen stattfinden, dann ist das die Deutsche Schule in Athen“, sagt der Schulleiter Thomas Fischer.

Doch die Schüler und Lehrer spüren auch den schwelenden Konflikt zwischen den Nationen. Ein Schüler berichtet, in letzter Zeit öfter von Sticheleien unter den Schülern gehört zu haben. Über Spannungen zwischen den Lehrern wird gemunkelt. Denn die Gehälter der griechischen Lehrer wurden im Rahmen der Sparauflagen gekürzt, die Deutschen erhalten deutsche Gehälter von Deutschland.

Aber auch das Ansehen der Schule in der griechischen Gesellschaft scheint angeschlagen. Als eine der Schulklassen vor einigen Wochen einen öffentlichen Vortrag über ökologische Projekte besuchte, beschwerten sich Lehrer anderer Schulen, dass die Schüler der DSA dort nicht hingehörten und forderten sogar ihren Ausschluss von der Veranstaltung. Im Gespräch deutet der Oberstufendirektor der griechischen Abteilung auch zunehmende Probleme mit dem griechischen Bildungsministerium an.

Schüler sollen noch mehr zusammenrücken

Dennoch: Bei griechischen Familien ist die Einrichtung beliebt. Seit Beginn der Krise hat die Zahl der Anmeldungen sogar zugenommen. Das mag zum Einen daran liegen, dass die Schulkosten durch die Subventionierung der deutschen Regierung niedriger sind als an anderen Privatschulen. Aber auch daran, dass ein Abschluss an der DSA mehr Chancen in der Zukunft verspricht.

Künftig sollen die Schüler im Unterricht noch näher zusammenkommen. Bislang gibt es eine griechische und eine deutsche Abteilung mit jeweils rund 500 Schülern. Am Ende erlangen die einen die griechische Hochschulreife, das Apolytirion, die anderen das deutsche Abitur. Schulleiter Fischer will nun beide Abschlüsse „verschmelzen“ zu einem gemeinsamen, dem deutsch-internationalen Abitur. „Erst wenn wir diese Reform umgesetzt haben, sind wir eine wirklich integrative Begegnungsschule.“

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