WIRTSCHAFTSDIALOG

“Aufbau Ost” als Vorbild für Athen

David Gregosz – Benedikt Walter

Wie kann Griechenland zurück zu nachhaltigem Wachstum finden? Aus der Transformation der DDR-Planwirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft kann das Land wichtige Lehren ziehen. Ein Debattenbeitrag von David Gregosz und Benedikt Walter.

Mit dem Zusammenbruch des maroden Staatsapparats der DDR wurde vor 23 Jahren nicht nur politisch eine „Wende“ eingeleitet. Der Untergang des sozialistischen Regimes stellte die Bundesrepublik auch vor die Aufgabe, wirtschaftlich einen Wandel im Osten Deutschlands anzustoßen. Die Reform der ineffizienten Planwirtschaft nach marktwirtschaftlichen Maßstäben wurde zur Mammutaufgabe. Denkbar schlecht war die Ausgangssituation. Kaum ein DDR-Betrieb war profitabel. Das Produktivitätsniveau der DDR entsprach 1989 nur einem Drittel des westdeutschen Levels.[1] Die niedrige Produktivität stand in keinem Verhältnis zu der politisch willentlich herbeigeführten Anhebung der Löhne auf Westniveau, die mit der Umstellung auf die D-Mark verbunden war. Dieser Prozess führte zu einer schlagartigen Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit ostdeutscher Betriebe. Die veraltete und im Verfall begriffene ostdeutsche Infrastruktur stellte die Wirtschaft zusätzlich vor Herausforderungen. Probleme bei der Transformation von der „Misswirtschaft“ der DDR zur Sozialen Marktwirtschaft durften daher nicht verwundern. Und tatsächlich: Der Weg zu annähernd ähnlichen Lebensverhältnissen in West und Ost ist noch immer lang. Die Arbeitslosenquote im Osten liegt circa 4 Prozent über dem Westniveau, und auch bei der  Produktivität hängt der Osten den alten Bundesländern hinterher.[2] Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln geht davon aus, dass der Osten erst in zwölf Jahren das Westniveau erreicht haben wird. [3]

Doch bei den angerissenen Schwierigkeiten dürfen die Erfolge nicht übersehen werden. Viele Experten hatten anfangs mit einem längeren Zeitraum der Konvergenz gerechnet.[4] Zweifelsohne tragen die Bemühungen um eine Angleichung der Lebensverhältnisse Früchte. Die Erfolge lassen sich sehen. Ostdeutschland bietet heute vielerorts attraktive Investitionsbedingungen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere die gute Infrastruktur haben ein investitions- und innovationsfreundliches Klima geschaffen. Die realen Haushaltseinkommen entsprechen heute in etwa 80 % bis 85 % des westdeutschen Niveaus.[5]

Obwohl die Ausgangslage doch sehr verschieden war, so erinnern diese Entwicklung und die immensen Strukturprobleme des im Untergang begriffenen DDR-Wirtschaftssystems doch stark an die aktuelle Situation in Griechenland. Auch wenn marktwirtschaftliche Strukturen in Griechenland nicht völlig neu geschaffen werden müssen, so behindern Wettbewerbsschranken in vielen Bereichen und fehlende Strukturreformen die griechische Wettbewerbsfähigkeit. Damals wie heute verhindern Bürokratiekosten und eine ineffiziente Wirtschafts- und Staatsstruktur wirtschaftliche Prosperität.

Doch auch Griechenland ist kein hoffnungsloser Fall. Die bereits beschlossenen Maßnahmen zeigen Wirkung. Das Land zählt in einem Ranking der Weltbank zu den zehn Staaten, die ihr Geschäftsklima im vorigen Jahr am stärksten verbessern konnten. Vor allem im Bereich Deregulierung für Unternehmen zahlen sich die Reformen aus.[6] Auch die Privatisierung der unprofitablen Staatsbetriebe geht voran. Ziel ist hier, nicht nur einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Vielmehr ist aus ordnungspolitischer Sicht die Beendigung einer ineffizienten Staatswirtschaft das Ziel. Auch die Erfolge in der  Haushaltskonsolidierung sind beachtlich, und die Rekapitalisierung des griechischen Bankensystems über europäische Mechanismen legt die Grundlagen, um die Kreditvergabe wieder anzukurbeln. Damit wird ein Grundproblem der griechischen Wirtschaft angegangen. All diese Entwicklungen lassen Investoren wieder vertrauen in Griechenland fassen.

Der Pfad zu einem nachhaltigen Wachstum durch Reformen und Deregulierung ist beschwerlich. Doch gesunde private Unternehmen – die das Rückgrat eines stabilen Aufschwungs bilden – gedeihen nur in einem freundlichen Investitionsumfeld: Unternehmer sind und bleiben „Agenten des Wandels“. (Kreditfinanzierte) Europäische oder nationale Konjunkturspritzen können gute staatliche Rahmenbedingungen, die Unternehmergeist fördern und das Klima für Investitionen verbessern, nicht ersetzen. Der Weg zu Wachstum und Wohlstand, der nach 1990 im Osten Deutschlands gegangen wurde, war steinig und mühsam. Und auch Griechenlands Weg ist noch lang. Doch die Entwicklung im Osten Deutschlands zeigt: Der Wandel kann gelingen! Diese Veränderungen wurden unterstützt durch erhebliche materielle und immaterielle Zuwendungen Westdeutschlands. Dieser Transfer von Geld, Wissen und Know-How hat Ostdeutschland sehr geholfen. Die europäischen Partner haben vielfach betont, dass auch Griechenland in ähnlicher Weise auf Solidarität bauen kann. Die zentrale Frage lautet, ob diese europäische Hilfe zur Selbsthilfe durch den griechischen Willen ergänzt wird, neu anzufangen, um in einer globalisierten Welt bestehen zu können. Dafür gibt es ermutigende Beispiele!

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