INTERVIEWS
WIRTSCHAFTSDIALOG
Wein statt Weinen
Katja Koellen
Der ehemalige Finanzhändler Markus Stolz wohnt seit bald einem Jahrzehnt in Athen. Er glaubt, dass das Land viel mehr Potenzial hat. Stolz selbst hat einen Exporthandel für griechischen Wein gegründet.
Manchmal könnte Markus Stolz verzweifeln an seiner großen Liebe – Griechenland. Einerseits sind da diese Landschaft, die Historie, die Kultur, die Menschen. Sie begeisterten ihn so sehr, dass der deutsche Finanzhändler in den 90ern eine Griechin heiratete und nun seit bald einem Jahrzehnt in Athen wohnt. Er entdeckte immer mehr Vorzüge: die Kreativität der jungen Griechen; oder auch herausragende Produkte wie Käse, Wein, Früchte und Olivenöl.
Aber auf der anderen Seite musste Stolz mit ansehen, wie das Land nicht genug aus seinem Potenzial machte. „Nehmen wir das Olivenöl“, sagt Stolz. „Griechenland ist der größte Hersteller. Und die gute Qualität ist bekannt. Aber es gibt nicht einmal anständige Abfüllanlagen. Und dann wird es zum Spottpreis nach Italien exportiert.“ Das Endergebnis landet dann als teures Qualitätsprodukt auf dem Markt – häufig mit italienischem Etikett. Besonders paradox: Ein großer Teil des Öls findet dann sogar den Weg zurück in die griechischen Supermarktregale. Stolz‘ Fazit: „Griechenland verliert.“
Und das gilt nicht nur für Olivenöl. Ein weiteres Traditionsprodukt der Hellenen, der Joghurt, ist in den USA seit rund zwei Jahren ein großer Trend. Amerikaner kaufen so viel griechischen Joghurt, dass sich das Business zu einem Millionengeschäft entwickelt hat. „Chobani Greek Yoghurt“ heißt der Joghurt Nummer eins. Produziert wird er aber nicht von Griechen: Der Inhaber ist ein türkischer Einwanderer namens Hamid Ulukaya.
Fage, der größte Produzent von griechischem Joghurt, hat zwar schon in den 70ern in die USA exportiert – aber dort dann zu spät eine eigene Molkerei aufgebaut. „Es hat den Boom einfach komplett verschlafen“, sagt Stolz. „Für mich ist das ein Beispiel dafür, dass irgendetwas fehlt.“
Und der ehemalige Finanzexperte hat auch eine klare Erklärung: Marketing ist die große Schwäche der Griechen. „Um ein Geschäft erfolgreich aufzubauen, muss man auch eine Beziehung zum Konsumenten herstellen. Man muss präsent sein. Und ich glaube, das ist etwas, was viele Leute in Griechenland noch nicht ganz verstanden haben.“
Bei seinem eigenen Geschäft, das er 2009 in Athen startete, bekam er genau das zu spüren. Stolz machte sein Hobby zum Beruf und gründete einen Exporthandel für griechischen Wein. Als er dafür Kontakt zu Weinhändlern und Winzern aufnahm, erhielt er zunächst nur Absagen: „Ich musste den Weinhändlern hinterherlaufen, um überhaupt eine Preisliste zu bekommen.“ Zu diesem Zeitpunkt war das Geschäft im eigenen Land noch gut und das Interesse zu gering, mit mehr Aufwand auch im Ausland Kunden zu finden.
Griechenland braucht gutes Marketing
Heute kann sich Markus Stolz vor Anfragen kaum retten: „Ich bekomme ständig Telefonanrufe und Probeflaschen geschickt. Alle wollen exportieren.“ Griechischer Wein hat seiner Meinung nach aber noch immer ein großes Imageproblem: „Die Weine, die in den letzten zehn, fünfzehn Jahren exportiert wurden, waren nicht die besten. Es sind vor allem nach Deutschland Weine verkauft worden, die keine gute Qualität hatten.“ Retsina sei das beste Beispiel dafür.
„Ich überlege jeden Tag, wie man auch andere griechische Produkte im Ausland vertreiben kann.“ Stolz arbeitet deshalb mit verschiedenen Unternehmen zusammen, um sie zu unterstützen und gutes Marketing auch in Griechenland zu etablieren. „Das griechische Business hat einen schlechten Ruf. Das liegt daran, was vor allem in den vergangenen Jahren passiert ist. Aber wir müssen genau dagegen angehen.“ Dieses Image könne nur durch Kommunikation verbessert werden. „Man muss die Menschen ins Land bringen. Um zu sehen, welches Potential es hier gibt.“
Auch Stolz spricht von einer deprimierenden Stimmung im Land, von Freunden, die nicht wissen wie es weiter gehen soll. „Meine Frau wird jeden Morgen wach und weiß nicht, ob sie noch einen Job hat. Wir haben vier Kinder. Die gehen auf eine Schule, die muss bezahlt werden. Und ich glaube, da ist jede einzelne Person in Griechenland betroffen – außer vielleicht die ganz Reichen.“
Trotzdem setzt er auf das Prinzip Hoffnung: „Es gibt viele Menschen, die sagen, dass es anders laufen muss, und sie haben häufig gute Ideen, aber sie müssen sie auch umsetzen. Sie sagen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist. ‚Nach der Krise‘, höre ich dann häufig, aber das ist genau falsch.“ Jetzt müssen die Griechen den Schritt wagen, sagt Stolz. Sonst ändere sich nämlich auch nichts.